LANDSCHAFTEN/ ORTE

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DIE KÜNSTLERKOLONIE WORPSWEDE


29. SEPTEMBER 2015

Das Teufelsmoor in Nie­ders­achsen ist beim ersten Hinschauen eine ziemlich flache, nicht be­son­ders auffällige Landschaft. Wenn man sie aber mit dem Blick jener Künstler ansieht, die 1889 hier eine Lebens- und Ar­beitsge­mein­schaft gründeten, dann findet man sie bezaubernd: Moor­kanäle, ein weiter Himmel, Wolken­kunst­werke und ein ganz besonderes Licht.



Mitten im Teufelsmoor, etwa 30 km nordöstlich von Bremen liegt Worpswede (Plattdeutsch: Worpsweed), eine kleine Gemeinde (etwa 9000 Einwohner), die vor allem für diese 1889 ge­grün­dete Künstlerkolonie Worpswede bekannt ist. Die Stipendiatenstätte Künstler­häu­ser Worpswede gehörte bis 2009 zu den größten der Bun­des­republik Deutschland. In Worps­we­de finden sich zahlreiche Kultureinrichtungen und Galerien.


Kunst im Raum


Die Künstlerkolonie Worpswede wurde als Lebens- und Arbeitsge­mein­schaft von Künstlern gegründet. Worpswede wurde dadurch zur Heimat bedeutender Künstler des Jugendstils, Im­pres­sionismus und Expressionismus.


Backsteinensemble mit dem Cafe „Worpswede“

1889 beschlossen die Künstler Fritz Mackensenn, Hans am Ende und Otto Modersohn, sich dauerhaft in Worpswede niederzulassen. Sie waren begeistert von den Möglichkeiten, die ihnen die raue, malerische Landschaft, die das Dorf umgab, bot. Mit ihren beeindruckenden Licht­ver­hält­nis­sen war sie wie geschaffen für ein künstlerisches Arbeiten direkt in der Natur.


In den folgenden Jahren schlossen sich weitere Künstler der Gruppe an, wie Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler. Paula Becker, die später Otto Modersohn heiraten sollte, kam 1897 dazu, um Malunterricht bei Fritz Mackensen zu nehmen. 1895 erwarb Heinrich Vogeler den Barkenhoff, den er im Jugendstil umbaute. Der Barkenhoff wurde im frühen 20. Jahrhundert zum geistigen Zentrum des Künstlerdorfs und galt zugleich als einer der bekanntesten Künst­ler­wohnsitze Deutschlands.

Das einfache Leben auf dem Land und die reizvolle norddeutsche Landschaft inspirierten unter anderen auch den Schriftsteller Rainer Maria Rilke und dessen spätere Frau, die Bildhauerin Clara Westhoff.


Worpsweder Verwaltungsgebäude


Außergewöhnliche Architektur ist fast ein Markenzeichen von Worpswede und so verwundert es kaum, dass sich der Schriftsteller Edwin Koenemann ein ausgefallenes Haus bauen ließ. Die Worpsweder Käseglocke ist ein kuppelförmiger Bau auf dem Weyerberg, der 1926 nach den Plänen des Architekten Bruno Taut erbaut wurde. Das Holzhaus steht unter Denkmalschutz. Das Gebäude, das wegen seiner ungewöhnlichen Igluform Aufsehen erregte, erhielt von den Be­wohnern Worpswedes den Namen "Käseglocke".


Die „Käseglocke“ (Edwin Koenemann)

Das Haus hat einen Durchmesser von zehn Metern und alle Wände sind abgeschrägt. Dennoch erwies es sich als derart geräumig, dass Koenemann das Obergeschoss wiederholt vermietete.


Die "Käseglocke" wurde sehr bald zu einer Sehenswürdigkeit des Künstlerdorfs, wenn nicht sogar dessen Wahrzeichen. Bereits zu Lebzeiten Koenemanns galt das Haus als ein Museum für einen Außenseiter.


Charakteristisch für Worpswede sind auch die historischen Bauernhöfe, die einst den Ortskern bildeten, die schmalen Kopfsteinpflaster-Straßen, die ungewöhnliche Architektur vieler Häuser sowie die zahlreichen alten Bäume und Grünflächen.


Das „Blaue Haus“


Heinrich Vogeler (1872 - 1942) schloss sich 1894 der Künstlervereinigung Worpswede an. Ein Jahr später kauf­te er den dortigen Barkenhoff. Nach zahlreichen Reisen gründete er 1908 mit seinem Bruder die „Worps­weder Werkstätte“ für Möbelbau. 1915 wurde Vogeler an die Ostfront berufen und arbeitete dort im Auftrag der Armee als Zeichner. Während dieser Zeit kam er mit den Ideen der Bolschewiken in Berührung, was sein Friedensengagement erstarken ließ. 1918 wurde er – wegen eines Appells an den Kaiser zur Beendigung des Krieges – aus der Armee ausgeschlossen.


Der Barkenhoff (Birkenhof) - Foto von Till F. Teenck (Lizenz)

Nach der Novemberrevolution gründete er auf dem "Barkenhoff" die erste deutsche Künst­lerkommune, die aber sehr bald scheiterte. So übergab Vogeler einen Hof der Roten Hilfe, die dort ein Erholungsheim für Kinder politisch Verfolgter einrichtete. 1931 ging er mit seiner zwei­ten Frau in die Sowjetunion. 1941 wurde er bei der Annäherung der deutschen Trup­pen vor Moskau zusammen mit anderen Emigranten gefangen genommen und nach Kasach­stan de­por­tiert, wo er 1942 starb.

In Heinrich Vogelers Werk vollzieht sich die Wandlung eines der führenden Vertreter des Ju­gend­stils hin zum Schaffenden und Propagandisten des sozialistischen Realismus.



Paula Modersohn-Becker (1876 - 1907) war eine der wichtigsten Vertreterinnen des frühen Expressionismus. Sie kam 1897 nach Worpswede und war sofort von der Landschaft und dem Zauber des Ortes stark be­ein­druckt. Auch die Künstlergemeinschaft gefiel ihr. Sie begann als Malschülerin bei Fritz Mackensen und blieb dann ihr ganzes Leben im Ort. Nach einer nicht von Erfolg gekrönten Einzelausstellung 1899 in der Bremer Kunsthalle zog sie sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Erst nach ihrem frühen Tod 1907 fand ihr um Schlicht­heit und menschliche Wahrheit bemühtes Werk nationale und internationale Anerkennung.

Paula Modersohn-Becker malte hauptsächlich Porträts, Kinderbildnisse, Landschaften, Stillleben und viele Selbstbildnissen. Sie mochte die einfachen Menschen, die sie malte, ihre Malerei war ausdrucksbetont, großflächig und farbig-expressiv.


Nach dem Zweiten Weltkrieg prägte neben der „Jungen Worpsweder Gruppe“ hauptsächlich der Sur­realist Richard Oelze mit seinen Werken die Künstlerkolonie, die bis heute Wohnsitz und In­spirationsort für zahl­reiche Künstler geblieben ist.


Abgesehen davon, dass sich hier sowieso je­der wie ein Künstler fühlt, hat Worpswede ver­mutlich die größte Galerie- und Künst­ler­dich­te von ganz Deutschland. Noch heute leben und arbei­ten in Worpswede ca. 140 Künstler und Kunst­handwerker. Gleichzeitig entstanden in Worpswede eine lebendige Kunsthand­wer­ker­szene und ein reger Kunsttourismus.


„Über den Wolken“ (Gisela Eufe)

Mit dem Erwerb des Barkenhoff, seiner Reno­vie­rung und seiner Eröffnung im Jahr 1981 als Hein­rich-Vogeler-Museum gelang die Sicherung eines bedeutenden Kulturdenkmals der Grün­der­ge­ne­ration. 2008 werden mit den Mitteln der Euro­pä­i­schen Union für den „Masterplan Worps­wede“ die vier großen Museen Barkenhoff, Haus im Schluh, Große Kunst­schau und Worpsweder Kunsthalle grundsaniert und auf einen mo­der­nen Stand gebracht.


„Der große Wächter“ (Christoph Fischer)


Der Roseliusstein ist ein monumentaler Kalkstein, der an ein Großsteingrab erinnert. Der Stein ehrt den Bre­mer Kaufmann Ludwig Roselius (1874-1943), der als Erfinder des koffeinfreien Kaffees gilt. Er war ein bedeu­tender Kunstförderer und Mäzenat. Obendrein schuf Roselius zusammen mit dem Worpsweder Architekten Bernhard Hoetger die Große Kunstschau und das anliegende Kaffee Worpswede.


„Der Roseliusstein“


Der Dichter Rainer Maria Rilke beschrieb Worpswede als einen „Himmel von unbeschreiblicher Verän­der­lich­keit und Größe“ und die Malerin Paula Modersohn-Becker schwärmte 1897 von einem „Wunderland“. Diesen ganz besonderen Charme hat sich die kleine Gemeinde bis heute erhalten.

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Die großen Sehenswürdigkeiten wie Neuschwanstein oder das Brandenburger Tor, die jeder kennt, die weniger schönen, wie das ehemalige Stasi-Gefängnis Bautzen II, und die weniger bekannten, wie das Deutsche Museum für Karikatur und Zeichenkunst sie alle machen Deutschland aus. Ob beeindruckende Architektur oder Landschaft, geschichtliche Ereignisse oder typisch deutsche Populärkultur diese Orte einzigartig machen, der Autor füllt sie mit Leben.

EIN TAG IN WORPSWEDE
Das ursprüngliche Bauerndorf Worpswede ist seit Ende des 19. Jahrhunderts von Künstlern entdeckt worden und gilt als die berühmteste deutsche Künstlerkolonie. Namen wie Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Heinrich Vogeler, Paula Modersohn-Becker und Rainer Maria Rilke stehen stellvertretend für viele andere Künstler und Schriftsteller.