WISSENSWERTES

STAND: APRIL 2024


DEUTSCHE MALEREI DER SPÄTROMANTIK


Ich blätterte einst in einer antiquarischen Ausgabe eines Märchenbuchs von Ludwig Beck­stein. Ein wun­der­bares altes Buch mit 164 Holzschnitten nach Original-Zeichnungen von Ludwig Richter. Ins­be­son­de­re in Richters Waldmotiven faszinierte mich die märchenhafte, Sehnsüchte erweckende Atmosphäre. Als Illustrator von Volksmärchen und Legenden ge­langte er zu großer Popularität.


Durch den in Dresden geborenen Ludwig Richter (1803-1884) entdeckte ich die Malerei der Spätromantik. In der Malerei bezeichnet man die zwischen 1848 und 1900 vorherrschende Richtung als Spätromantik, welche die Errungenschaften der Romantik neu aufbaute. Die grundlegenden Fragen zur Göttlichkeit der Natur und zum künstlerischen Schaffensprozess wurden kaum noch betont, da sie allgemein als geklärt angesehen wurden. Die Künstler konzentrierten sich verstärkt auf die Weiterentwicklung ihrer künstlerischen Darstellung und Maltechnik.


Als Maler der Spätromantik gelten unter anderen:
Genremaler: Christian Eduard Boettcher, Franz von Defregger, Moritz von Schwind, Carl Spitzweg, Adolph Tidemand, ...
Historienmaler: Arnold Böcklin, Anselm Feuerbach, Hans Makart, Alfred Rethel, ...
Landschaftsmaler: Andreas Achenbach, Oswald Achenbach, Heinrich Bürkel, Themistokles von Eckenbrecher, Hans Gude, Karl Friedrich Lessing, Ludwig Richter, Ludwig Sckell, ...
Porträtmaler: Oscar Begas, Wilhelm von Kaulbach, Franz von Lenbach, Franz Xaver Winterhalter, ...
Stilllebenmaler: Anna Peters Emilie Preyer, ...
Tiermaler: Anton Braith, Friedrich Gauermann, Joseph Wenglein, ...


Ludwig Richter war ein bedeutender deutscher Maler, Zeichner und Grafiker des 19. Jahr­hunderts. Er studierte an der Kunstakademie Dresden und wurde später Professor an der­selben Institution. Bekannt wurde er für seine Landschaftsmalerei, Genrebilder und Illus­trationen für Märchen und Volkslieder. Seine Werke sind für ihre detailreiche Darstellung und emotionale Tiefe bekannt. Mit dem 1837 gemalten Bild „Überfahrt über die Elbe am Schreckenstein bei Aussig“ schuf Richter ein frühes Werk der Spätromantik.


Ludwig Richter: Überfahrt der Elbe am Schreckenstein (1837)


Ludwig Richter: Teich im Riesengebirge (1839)


Die Spätromantik verfolgte gänzlich andere Ziele als die Frühromantik, war aber in der Gunst des Publikums wesentlich erfolgreicher, so daß sie für die nächsten Generationen das ursprüngliche Anliegen der Romantik überdeckte. Während dieser Periode setzten sich die romantischen Ideale zwar fort, aber es gab auch eine stärkere Hinwendung zu  Rea­lis­mus und Naturalismus. Künstler wie Caspar David FriedrichArnold Böck­lin und John William Waterhouse schufen Werke, die sowohl romantische als auch realistische Elemente ver­einten. Diese Gemälde zeichneten sich durch ihre emotionale Intensität,  Natur­dar­stel­lun­gen und mys­ti­sche Atmosphäre aus.


Moritz von Schwind, geboren am 21. Januar 1804 in Wien, gestorben am 8. Februar 1871 in München, war neben Carl Spitzweg der bedeutendste und populärste Maler der deutschen Spätromantik. Seine Bilder zu Themen aus deutschen Sagen und Märchen sind volks­tüm­lich und poetisch gestaltet. Neben der Öl­ma­lerei schuf er auch Bedeutendes in der Fres­ko­malerei und in der Buchillustration. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien und später in München. Während seiner Zeit in München wurde er Teil des Kreises um König Ludwig II., der ihn in seine Schlossprojekte einbezog. Schwind schuf eine Reihe von Fresken, ins­besondere im Schloss Hohenschwangau und in der Münchner Residenz. Sein Werk zeichnet sich durch eine romantische Stimmung, Detailreichtum und eine tiefe emo­tionale Qualität aus.


Moritz von Schwind: Erlkönig (um 1830)


Friedrich Gauermann (1807-1862) war ein österreichischer Maler des Biedermeier und der Romantik. Er spezialisierte sich auf Landschaftsmalerei, insbesondere auf Tier- und Jagd­szenen. Gauermanns Werke sind für ihre realistische Darstellung der Natur und der länd­li­chen Lebensweise bekannt. Gauermann unternahm zahlreiche Studienreisen, darunter 1824 und 1831 ins Salzkammergut, 1827 nach Dresden, 1829, 1834 und 1840 nach München, 1838 und 1843 nach Venedig. Am 26. März 1836 wurde er an der k.k. Akademie der bil­den­den Künste als Landschaftsmahler zum Kunstmitglied gewählt. Seine Gemälde zeigen oft dramatische Naturszenen mit einer besonderen Liebe zum Detail und einer starken emo­tionalen Wirkung.
Friedrich Gauermann: Ein Geier auf verendetem Hirsch (1832)


Andreas Achenbach (* 29. September 1815 in Kassel; † 1. April 1910 in Düsseldorf) war ein deutscher Land­schaftsmaler der Spätromantik. Er gilt als eine führende Künst­ler­per­sön­lichkeit der Düsseldorfer Malerschule. Thema seiner Landschaftsmalereien waren vor allem Seestücke und Hafenansichten. Sein Bruder Oswald Achenbach dagegen konzentrierte sich auf die Darstellung der Landschaft Italiens. Die beiden Brüder wurden deshalb auch scherz­haft als das „A und O der Landschaftsmalerei“ bezeichnet.


Andreas Achenbach: Ein Seesturm an der norwegischen Küste (1837)


Andreas Achenbach: Einholen des Beibootes (1842)

Carl Friedrich Lessing (* 15. Februar 1808 in Breslau; † 5. Juni 1880 in Karlsruhe) war ein romantischer Maler des 19. Jahrhunderts. Er zählt zu den bedeutendsten Historien- und Landschaftsmalern der Düsseldorfer Schule. In der ersten Periode seiner Tätigkeit malte Lessing melancholische und fantastische Landschaften in der Nachfolge von Caspar David Friedrich: Seine Motive waren zerfallene Burgen, verlassene Kirchhöfe, zer­klüftete Fel­sen­partien, die er mit Figuren von Mönchen, Rittern, Räubern, Zigeunern usw. bevölkerte. Viele Motive bezog er aus Sagenwelt, Erzählung und Dichtung.


Carl Friedrich Lessing: Die Belagerung (1838)

Adolph Tidemand (1814-1876) und Hans Fredrik Gude (1825-1903) waren zwei norwegische Maler der be­rühmten Düsseldorfer Malerschule, auch Düsseldorfer Schule. DIese bezeichnet das soziale und krea­tive Milieu sowie die Bildende Kunst einer Gruppe von Malern, die vor allem im 19. Jahrhundert – etwa von 1819 bis 1918 – an der Königlich-Preußischen Kunst­akademie in Düsseldorf ausgebildet wurden und gelehrtr und gewirkt haben.


Adolph Tidemand und Hans Fredrik Gude: Brautfahrt auf dem Hardangerfjord (1848)


Alfred Rethel (1816-1859) war ein deutscher Historienmaler, Zeichner und Grafiker der Spät­romantik. Bekannt wurde er hauptsächlich für seine historischen und religiösen Themen. Er studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er seinen eigenen Stil entwickelte, der sich durch Präzision und Detailreichtum auszeichnet. Seine Werke reflektieren oft moralische und politische Themen seiner Zeit, insbesondere die politischen Unruhen und gesell­schaft­lichen Veränderungen des 19. Jahrhunderts. Einige seiner bekanntesten Werke sind „DerTod als Freund“ und die „10 Radierungen zur Geschichte der Menschheit“.


Alfred Rethel: Der Tod als Freund (1851)

In hohem Thurmgemach, verklärt vom Strahl der scheidenden Sonne, ist der greise Thür­mer, die welken Hände zum Gebet gefaltet, auf seinem Armstuhle selig entschlafen. Wie oft hat er den Heimgang eines Erden­pilgers in der Stadt mit den Feierklängen seines Glöckleins begleitet! Jetzt erweist der Tod ihm selber den Dienst, tiefernst und sinnend, aber ein barm­herziger und vertrauter Freund, denn er weiß, er bringt dem müden Alter selige Ruhe und ewigen Frieden.


Franz Xaver Winterhalter (1805-1873) war ein deutscher Maler, der zu seiner Zeit zu den ge­fragtesten und be­rühmtesten Porträtmalern zählte. Bereits zu Lebzeiten nannten ihn seine Zeitgenossen, teils anerkennend, teils von Neid getrieben, den „Fürstenmaler“. Seine Auf­traggeber waren fast durchweg Protagonisten des europäischen Adels von Lissabon bis Mos­kau, vom Freiherrn bis zum Kaiser. Winterhalters Porträts wurden für ihre subtile In­timität geschätzt, wobei seine Begabung, von den Porträtierten ein Wunschbild zu er­schaf­fen, sicher zu seiner großen Beliebtheit beitrug.


Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria (1859)


Franz Xaver Winterhalter: Königin Olga (1865)


Christian Eduard Boettcher (1818-1889), war ein deutscher Maler der Rheinromantik. In seinem Werk widmete sich Boettcher intensiv Porträt- und Figurenbildern. In den 1860er-1870er-Jahren entstanden Gemälde, die Menschen, Städte und Landschaften am Rhein, etwa zwischen Bingen und Köln, darstellen Seine Kom­po­si­tionen weichen von der Le­bens­wirklichkeit jedoch ab und erzeugen eine spätromantisch-sentimentale Stim­mung, etwa in Heuernte am Rhein (1856) sowie Abend am Rhein (1860) und Sommernacht am Rhein (1862).


Christian Eduard Boettcher: Sommernacht am Rhein (1862)


Anselm Feuerbach (1829-1880) war ein renommierter deutscher Maler des 19. Jahr­hun­derts. Er zählt zu den herausragenden Künstlern dieser Epoche und ist besonders für seine klassizistischen und mythologischen Gemälde bekannt. Er absolvierte seine Ausbildung an der Kunstakademie Düsseldorf und setzte sein Studium in München und Paris fort. Tief beeinflusst von der Antike und der italienischen Renaissance, konzentrierte sich Feuerbach hauptsächlich auf die Darstellung mythologischer und historischer Themen. Seine Kunst­wer­ke bestechen durch klare Linien, harmonische Kompositionen und eine sinnliche Wie­dergabe der Figuren. Obwohl er zu seinen Lebzeiten nicht die gleiche Bekanntheit erlangte wie einige seiner Zeitgenossen, wurde er später als einer der prägenden Vertreter der deutschen Historienmalerei des 19. Jahrhunderts gewürdigt.


Anselm Feuerbach: Francesca da Rimini und Paolo Malatesta (1864)


Italiens berühmtestes Liebespaar des 13. Jahr­hun­derts waren Francesca da Rimini, ge­bo­rene da Polenta, und Paolo Malatesta. Die Ge­schich­te ihrer tra­gischen Liebe ist histo­ri­sche Wirk­lic­keit und wurde im 19. Jahr­hun­dert in zahl­reichen Dramen, Gedichten, Erzählungen, Opern und auf Ge­mäl­den dar­ge­stellt.


Joseph Wenglein (* 5. Oktober 1845 in München; † 18. Januar 1919 in Bad Tölz) war ein deutscher Maler, der oft auch als einer der letzten bedeutenden Landschaftsmaler der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts geführt wird.


Joseph Wenglein: Die Kalksteinsammlerinnen im Isarbett bei Tölz (1882)


Wilhelm Oswald Gustav Achenbach (* 2. Februar 1827 in Düsseldorf; † 1. Februar 1905 eben­da) war ein deutscher Maler, welcher der Düsseldorfer Malerschule zugerechnet wird. Zu seinen Lebzeiten zählte er zu den bedeutenden Landschaftsmalern Europas und prägte während seiner Lehrtätigkeit die Düsseldorfer Kunstakademie. Oswald Achenbach kon­zen­trierte sich auf die Darstellung von italienischen Landschaften, während sein zwölf Jahre älterer Bruder Andreas Achenbach vor allem Seestücke und Hafenansichten als Haupt­themen hatte.


Oswald Achenbach: Im Park der Villa Borghese (1886)


Die Impressionisten lehnten die Spätromantik aufgrund ihrer elaborierten akademischen Malweise als ver­altete Kunstform ab. Allerdings ist der Grund für die Abwertung der Spät­romantik durch Kunsthistoriker we­niger im Konflikt mit den Impressionisten zu suchen, sondern vielmehr in der kommerziellen Ausbeutung spätromantischer Motive durch Pro­duzenten von minderwertigem Kitsch. Bereits seit der Zeit der Spät­ro­mantik führte die steigende Nachfrage nach Kunst von immer mehr Käuferschichten zu einer industriellen Produktion von Kitsch. Motive, die bei den Spätromantikern noch für religiöse Hingabe oder kulturelle Bil­dung standen, wurden nun in Massenproduktion und Reproduktion her­ge­stellt. Typische Kitschmotive wie Sonnenuntergänge, röhrende Hirsche und Idyllen lassen sich klar auf die Romantik zurückführen.

Führende Museen bewahren deshalb ihre Sammlungen von Spätromantikern oft im Depot auf und zeigen deren Werke nur vereinzelt und kontextbezogen bei Sonderausstellungen

Im Kunsthandel genießen Spätromantiker hingegen eine zunehmende Beliebtheit, auch wenn sie noch nicht an die der Impressionisten heranreicht. Eine zukünftige He­raus­for­de­rung der Kunstgeschichte besteht darin, die Werke der Spätromantiker als eine Wei­ter­ent­wicklung der Romantik und als Ausdruck ihrer eigenen Epo­che zu schätzen, die durchaus bedeutende künstlerische Leistungen hervorgebracht hat.